October 30, 2020

Smart Contracts

Veränderung der Versicherungsbranche durch neue technische Möglichkeiten?

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Letzte Woche fand unsere letzte virtuelle Innovationswerkstatt in diesem Jahr statt, in der wir uns intensiv mit dem Thema Blockchain und Smart Contracts auseinandergesetzt und über Implikationen für die Versicherungswirtschaft diskutiert haben. In diesem Kontext sind vor allem Smart Contracts eine Beschäftigung wert: Welchen Einfluss könnten diese auf die Versicherungsbranche ausüben? Ist es realistisch, dass Smart Contracts eine Versicherung komplett ersetzen? Welche Vor- und Nachteile gibt es?  

Recap: Was sind Smart Contracts?

Sehr vereinfacht ausgedrückt, ist ein Smart Contract ein Vertrag auf Softwarebasis. Auch hier werden verschiedene Vertragsbedingungen hinterlegt. Das Besondere: Wenn bestimmte Auslöser vorliegen, reagiert der Vertrag selbständig und schüttet beispielsweise automatisch Geld an eine Vertragspartei aus. Durch die Blockchain-Technologie haben Smart Contracts massiv an Popularität gewonnen. Warum? Der große Vorteil der Blockchain ist, dass Daten dezentral von verschiedenen Parteien verifiziert werden, und jederzeit für alle einsehbar sind, also auf Open-Source-Basis funktionieren. Die Notwendigkeit einer Intermediäre oder Mittelsperson, die Transaktionen oder Verträge prüft, wird aufgrund dieser Dezentralität und der Transparenz überflüssig. Dadurch können Kosten extrem minimiert werden, was Smart Contracts zunächst sehr attraktiv wirken lässt. Noch mehr Infos gibt es hier.

Vorteile, die durch das verteilte Journal für Smart Contracts entstehen

Die oben erwähnte Dezentralität der Blockchain wird durch verschiedene Mechanismen gewährleistet. Eines davon sind die sogenannten verteilten Journale. Das bedeutet, dass jeder Nutzer dezentral über eine Kopie aller Daten verfügt. So entsteht Transparenz und damit Vertraulichkeit. Welche Vorteile ergeben sich daraus für Verträge?

Ein einfaches Beispiel sind Notariatsleistungen. Außerhalb der Blockchain benötigen wir Notare, um Dokumenten verifizieren zu lassen. Da bei der Blockchain die Verifikation von Daten und Transaktionen durch die genannten Mechanismen möglich werden und von den Nutzern selbst getätigt werden können, wird der Notar überflüssig. Ein Problem gibt es allerdings bei geheimen Verträgen: Da die Blockchain auf der Offenlegung der Daten beruht, wäre diese Verifikation durch die anderen Parteien der Blockchain in diesem Fall nur bedingt möglich.  

Eine weitere vorteilhafte Möglichkeit sind Finanzierungsmöglichkeiten durch sogenannte Inital Coin Offerings (ICO).  ICOs sind eigentlich nichts anderes als Crowdsourcing für Kryptowährung. Nutzer zahlen in einen Smart Contract ein, um dafür beispielsweise ein neues Produkt zu ermöglichen (beispielsweise eine neue Kryptowährung) und profitieren beispielsweise durch Anteile der neuen Währung. Eine Intermediäre, wie zum Beispiel Kickstarter, ist durch den Smart Contract nicht nötig, da über ihn die Transaktionen abgesichert und automatisch reguliert werden.  

Was, wenn der Smart Contract nicht funktioniert?

Für das einwandfreie Funktionieren eines Smart Contracts ist seine fehlerfreie Programmierung und eine Bug-freie technische Umsetzung unbedingte Voraussetzung. Da alle Transaktionen, die über die Blockchain getätigt werden, nicht rückgängig gemacht werden können, können bei Fehlern in der Programmierung weitreichende Probleme entstehen. Ein Beispiel ist The DAO, eine vollelektronische, dezentralisierte Investmentbank, die von zwei Gründern aus Sachsen ins Leben gerufen wurde. Die Idee von The DAO: Statt die Organisation von Managern leiten zu lassen und damit die Gefahr von opportunem Handeln dieser Personen einzugehen, besteht die dezentralisierte, autonome Organisation aus einem Geflecht von Smart Contracts, die mit einem E-Voting kombiniert werden. Konkret bedeutet das, dass Nutzer sich in die Firma einkaufen können und im Gegenzug Token erhalten. Diese Token stehen für Stimmrechte, die nach dem Ablauf von vier Wochen relevant werden. Dann können nämlich die Besitzer dieser Stimmrechte darüber entscheiden, wohin das gesammelte Geld fließt. Was sich in der Theorie nach einer bahnbrechenden Idee anhört, ist in der Praxis gescheitert: Durch einen Fehler in der Programmierung einer der Smart Contracts war es einigen Nutzern möglich, sich selbst über 50 Millionen Dollar in das eigene Wallet zu überweisen. Durch die fehlende Möglichkeit, diese Transaktion rückgängig zu machen, befand sich The DAO in einem Dilemma. Das Beispiel zeigt: Durch fehlerhafte Smart Contracts können weitreichende Fehler entstehen – die aufgrund der Eigenschaften der Blockchain nicht so einfach rückgängig gemacht werden können.  

Kann ein Smart Contract eine Versicherung komplett ersetzen?

Was bedeuten Smart Contracts nun für die Versicherungsbranche und ist es sogar möglich, dass dadurch Versicherungen ersetzt werden? Voraussetzung dafür wäre, dass alle (!) Abläufe digitalisiert sein müssten, was zum jetzigen Zeitpunkt noch unrealistisch scheint. Zudem müsste die Implementierung fehlerfrei sein, um Katastrophen wie bei The DAO vermeiden zu können. Da gerade beispielsweise Schadensbegutachtung noch manuelle Tätigkeiten benötigen und dazu Kontrollen wiederum kontrolliert werden müssten (usw.) würde eine große Komplexität entstehen, die durch einen Smart Contract vermutlich nicht abbildbar wäre. Ein weiteres Thema ist der Beratungs- und Servicebedarf, da Versicherungskunden in der Regel die Technologie der Blockchain und das Funktionieren der Smart Contracts noch nicht verstehen können, da dafür zudem umfassende Kenntnisse in Programmiersprachen nötig wären, um die Smart Contracts lesen und verstehen zu können. Diese Kompetenz ist den allermeisten Kunden, zumindest heutzutage, noch nicht zuzutrauen.  

Sind Smart Contracts also nichts weiter als eine innovative Idee, deren Anwendbarkeit aber in der Versicherungswirtschaft nicht sinnvoll ist? Ja und Nein. Auch wenn es momentan noch weitreichende Probleme und Gefahren gibt und vieles erst in den Kinderschuhen steckt, sind Smart Contracts dennoch eine inspirierende Möglichkeit, Verträge neu zu denken. Um die Versicherungswirtschaft zu innovieren, braucht es genau das: Ideen und Konzepte, die eine völlig neue Richtung vorschlagen. Auch wenn deren Adaption nicht sofort sinnvoll erscheint.

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