June 27, 2024

Cross Industry Kooperationen

Im Interview mit der EWR AG

Cross Industry Innovation

Innovation

Kooperation

1. Erfolgsrezept Kollaboration: Warum ist branchenübergreifende Zusammenarbeit ein notwendiger Schritt in Richtung nachhaltige Innovation?

In der Energiewirtschaft sind wir zunehmend mit komplexer werdenden Strukturen und Anforderungen konfrontiert. Das Geschäftsmodell, das wir als Energievertriebsunternehmen (EVU) jahrzehntelang erfolgreich betrieben haben, gerät innerhalb weniger Jahremassiv unter Druck.

KundInnen haben neue Anforderungen an Produkte und Services, die aus anderen Branchen auch die Erwartungshaltung an Energieversorger erhöhen – Produkte müssen sofort, immer, überall und aufeinander abgestimmt zur Verfügung stehen. Zudem drängen immer mehr branchenfremde Player in die Branche Energieversorgung mit teils disruptiven Ansätzen.

Wir sehen, dass dadurch die Energiewirtschaft immer mehr mit anderen Branchen verschwimmt – sei es beispielsweise mit der Mobilität oder dem Baugewerbe. Als Unternehmen sind wir gefordert, die Komplexität, die von außen an uns herangetragen wird, auch in unsere Organisations- und Innovationsprozesse zu spiegeln. Und hier bietet sich die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen aus anderen Branchen sehr gut an.

Die Intention hinter einer solchen Kooperation ist nicht nur zukünftig innovative Produkte und Services anzubieten, es geht vielmehr auch darum, wie wir unsere Wertschöpfungskette nach vorne und hinten verlängern können.

Das alleinige Wissen eines EVU wird nur in den seltensten Fällen für nachhaltige Innovationen sorgen können.

Um nachhaltige, kundenzentrierte und ganzheitliche Lösungen für unsere KundInnen zu entwickeln, benötigt es die Erkenntnisse, Sichtweisen, Ressourcen und die Expertise anderer Branchen.

Aus diesem Grund ist die branchenübergreifende Kooperation ein wichtiger Bestandteil unserer Unternehmensstrategie.

 

2. Welche Rahmenbedingungen sind für interdisziplinäre Innovationsprozesse notwendig und welche Herausforderungen müssen überwunden werden?

Branchenübergreifende Innovationsprozesse sind immer mit Herausforderungen verbunden, die es bei einem internen Innovationsprozess nie gäbe. Unterschiedliche Sprachen, Begrifflichkeiten und Definitionen sowie unterschiedliche Kulturen und Arbeitsweisen sind dabei ebenso herausfordernd wie mögliches Konkurrenzdenken, die gerechte Verteilung von Ressourcen/Aufwand und die Abstimmung über die Rechte an gewonnenen Erkenntnissen bzw. an der Verwendung des Ergebnisses.

Eine Garantie, dass bestimmte Rahmenbedingungen automatisch zum Erfolg führen, gibt es natürlich nicht. Im branchenübergreifenden Innovationskontext geht es unserer Erfahrung nach oftmals um „softe Faktoren“ wie z. B. das Vertrauen der beteiligten Unternehmensführungen und der beteiligten Mitarbeitenden untereinander.

Vertrauen ist die wesentliche Grundlage für einen gemeinsamen Innovationsweg, denn die beteiligten Unternehmen sollten ohne Vorbehalte Teile ihres Wissens und ihrer Erfahrungen einbringen können. Nur so entsteht eine Kultur des „Gebens und Nehmens“. Des Weiteren bedarf es einer klaren Absteckung der Erwartungshaltung aller Beteiligten im Vorfeld.

Sobald der Eindruck entsteht, dass ein Unternehmen mehr gibt als ein anderes, und dies nicht in einem passenden Verhältnis zur möglichen Chance steht, können branchenübergreifende Innovationsprozesse scheitern.

Um ein branchenübergreifendes Innovationsprojekt erfolgreich zu gestalten, bieten sichvor allem agile Strukturen an – insbesondere dann, wenn Endkundenbedürfnisse ein wesentliches Kriterium sind. Diese Strukturen schaffen - trotz eines ungewissen Ergebnisses – Klarheit was die Vorgehensweise und die benötigten Ressourcen betrifft, die am Anfang durch die Unternehmensleitungen festgelegt werden.

 

3. Cross Industry Innovationen entstehen selten nach einer bestimmten Systematik. Welche verschiedenen Ansätze gibt es und wie können Unternehmen davon profitieren?

Interessante Ansätze sind sicherlich die sogenannten Outside-In- bzw. Inside-Out-Prozesse, durch die versucht wird, bestehende Muster eines Unternehmens auf andere Branchen zuübertragen.

Neben Outside-In- und Inside-Out-Prozessen haben wir selbst sehr gute Erfahrungen mit dem sogenannten „Coupled Process“ gemacht, dessen Prinzipien wir in ein eigenes Programm überführt haben – unseren „Cross-Industry-Campus“. Die Vorgehensweise: Mehrere regionale Unternehmen und Institutionen aus unterschiedlichen Branchen legen ihre Strategien, Herausforderungen und Bedürfnisse übereinander und benennen gemeinsam ein Innovationsfeld, bei dem die größte Schnittmenge besteht.

Ein festes Projektteam, das interdisziplinär und branchenübergreifend aus allen Unternehmen zusammengestellt wird, hat unter Anleitung eines Agile Coaches ein marktfähiges Geschäftsmodell inklusive Prototyp innerhalb des gesteckten zeitlichen und finanziellen Rahmens zu entwickeln. Am Ende findet mit den Unternehmensleitungen aller beteiligten Unternehmen ein Pitch á la „Höhle der Löwen“ statt, nach dem gemeinsam über eine potenzielle Fortführung des Geschäftsmodells diskutiert wird.

So wurde beispielsweise unsere Tochtergesellschaft EWR Climate Connection GmbH gegründet, in welcher dieHerausforderungen von Unternehmen im Themenkomplex Nachhaltigkeit adressiert werden und so ein Generalunternehmer für Nachhaltigkeit entstanden ist.

Durch diese Vorgehensweise erhalten Unternehmen auf Basis von Ressourcen- und Risiken-Teilung nicht nur ein potenziell neues Geschäftsmodell. Die Projektebeteiligten schaffen darüber hinaus regionale Netzwerke, die einen zukünftigen Wissens- und Erfahrungsaustausch und damit auch weitere Kooperationen wahrscheinlicher machen und werden innerhalb des Projektes als Personalentwicklungsmaßnahme zusätzlich in agilen Methoden geschult, die sie als Multiplikatoren ins eigene Unternehmen übertragen können.

 

 

Zur Person:

Jens Blüm leitet die Unternehmensentwicklung der EWR AG. Mit seinem Team kümmert er sich im Unternehmen um die Themen Strategie, Innovations- und Beteiligungsmanagement sowie um M&A. Vor seiner Tätigkeit als Organisations- und Unternehmensentwickler war er 8 Jahre lang Regulierungsmanager bei der EWR Netz GmbH.

 

Über die EWR AG

Die EWR AG ist seit über 100 Jahren das Energieunternehmen in Rheinhessen, dem hessischen Ried und der Pfalz. Rund 600 Mitarbeitende arbeiten an der sicheren, zuverlässigen und nachhaltigen Versorgung von über 260.000 Kunden mit Strom, Gas, Wasser und schnellem Internet. Als Energiewendeunternehmen investiert die EWR AG mit ihren Tochtergesellschaften wie der EWR Netz GmbH gezielt in eine zukunftsfähige Infrastruktur, digitale Serviceangebote und in Energiewendelösungen für die Menschen in der Region.

Jens Blüm

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