March 26, 2021

Über die Anwendung und praktische Umsetzung von Customer Experience Management

Im Interview mit Christopher Schmitt von der INTER Versicherungsgruppe

Interview

Kundenfokus

Prozessautomatisierung

Aus Erfahrungen lernt man: Das gilt auch für die Customer Experience. In unserem Interview mit Christopher Schmitt, CX-Manager bei der INTER Versicherungsgruppe, haben wir über die Anwendung und praktische Umsetzung von CXM gesprochen. Er erklärt aus eigener Berufspraxis, wie wichtig es ist, dass das gesamte Unternehmen eine kundenzentrierte Perspektive einnimmt und vor allem, wie gewinnbringend ein strategisches CXM ist.

Christopher, in drei Stichworten: Was bedeutet CXM für dich?

Messen, erforschen, hinterfragen – wobei richtiges CXM deutlich über den Analyseteil hinausgeht. Wichtig ist, dass danach Maßnahmen abgeleitet werden. In Ergänzung sollte also eher von ableiten, umsetzen und innovieren die Rede sein. Alle zukünftigen Überlegungen sollten durch die Customer Experience geprägt sein, weil sie eine der Grundlagen für die Innovation der Zukunft ist.

Seit wann gibt es CXM bei der INTER?

Seit 2017/2018 ist CXM als Wort und als grobes „Da müssen wir mal was machen“ im Raum. Die Diskussion startete, als die Customer Journey immer wichtiger wurde – wirklich umgesetzt haben wir CX bei der INTER aber erst mit dem Start des Piloten zum Ende des Jahres 2019.

Was ist das Ziel des CXM?

Hier sind wir wieder beim Anfang mit messen, erforschen und hinterfragen. Momentan nutzen wir CXM vor allem dazu, herauszufinden, was unsere Kunden wollen. Wie muss ich das, was ich jetzt schon habe, verändern, damit es ihnen langfristig gefällt? Und dann herausfinden, wie wir uns weiterentwickeln müssen – wir sind letztendlich die Grundlage für die Transformation zum kundenzentrierten Unternehmen. Ganz klar mit dem Ziel einer Top Kundenzufriedenheit!

Es gilt, immer wieder bewusst den Finger in die Wunde zu legen – und zwar nicht, weil ich es so empfinde, sondern, weil die Kunden das so eins zu eins zurückgespielt haben.

- Christopher Schmitt

Was waren die größten Hürden beziehungsweise Herausforderungen bei der Einführung?

Die größte Herausforderung liegt tatsächlich in der Unternehmenskultur. Als CX-Manager trage ich die Erfahrungen der Kunden ins Unternehmen. Das heißt, ich bin eigentlich immer auch ein bisschen der Böse, der neben dem Lob eben auch immer die Kritik weiterträgt und so auch systematische Schwachstellen kommuniziert. Es gilt, immer wieder bewusst den Finger in die Wunde zu legen – und zwar nicht, weil ich es so empfinde, sondern, weil die Kunden das so eins zu eins zurückgespielt haben. Hier wird deutlich, wie wichtig eine kundenorientierte Unternehmenskultur ist. Ich würde also sagen, dass die kulturelle Verankerung eine der größten Hürden darstellt.

Wie schaffe ich es, auch die Bereichsverantwortlichen, die ja alle schon getrieben sind von Zahlen, Daten und Fakten leistungsbeurteilender interner Systeme, davon zu überzeugen, dass die CX nicht nur genauso in Zahlen gemessen werden kann, sondern dabei noch so viel mehr als das ist? Wie gelingt es mir, in deren Mindsets das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es eine Reihe Kriterien von außen gibt, anhand derer wir uns auch oder entscheidend messen lassen müssen? Das direkte Feedback von außen – also aus Sicht der Kunden – als Maßstab zu akzeptieren und zu begreifen, ist wesentlich. Und dieser Maßstab geht nun mal deutlich über die bisherigen Kennzahlen hinaus.

Was waren eure größten Learnings?

Einerseits ist es die Erkenntnis der Notwendigkeit eines bewussten Kulturwandels, von dem ich gerade sprach. Andererseits würde es uns wohl ausbremsen, zu denken, dass die Kundenzufriedenheit erst ein Thema ist, wenn man die Kultur dazu hat. Der Kulturwandel ist ein wesentlicher Baustein, aber wechselseitig gesehen, ist CX genau das, was diesen kulturellen Wandel stark beeinflusst und auch treiben kann.

Das größte Learning würde ich an anderer Stelle sehen: CX ist nicht nur ein Projekt, um Fehler zu finden wie andere Qualitätssicherungsmaßnahmen. Viel eher ist Customer Experience Management eine Haltung. Und zwar die Haltung zu sagen, dass ich mein Handeln kundenzentriert ausrichten und messen will – und diese Haltung muss strategisch vom gesamten Unternehmen eingefordert werden.

Der Kulturwandel ist ein wesentlicher Baustein, aber wechselseitig gesehen, ist CX genau das, was diesen kulturellen Wandel stark beeinflusst und auch treiben kann.

- Christopher Schmitt

Genau das haben wir bei INTER glücklicherweise so gemacht. CX sollte in der Marke und der Strategie verankert werden: Das ist unser größtes Learning. Wir müssen alle mit gutem Beispiel vorangehen: Der Vorstand fürs Unternehmen, die Leiter für ihr Team, die Mitarbeiter für ihre Kollegen. Wir alle gemeinsam für unsere Kunden.

CX ist eine relativ neue Disziplin. Es gibt Menschen, die unter CX nur die User Experience auf Online-Kanälen verstehen. Es ist aber alles, was zur Kundenzufriedenheit dazu gehört. Wenn wir auf dieser Grundlage keine Entscheidungen treffen, dann läuft was falsch.

Wie hilft euch CXM im Alltag?  

Ich war überrascht, dass es dann nun doch recht schnell ging – wobei das daran liegt, dass wir sehr strategisch vorgegangen sind. Im Endeffekt bedeutet dies nun, dass jeder Bereichsleiter und jede Bereichsleiterin Zufriedenheits-Ziele aus unserer Unternehmens-Strategie mit den zugehörigen Messgrößen und Kennzahlen für seine bzw. ihre Bereichsarbeit übernimmt. Durch unsere eigenen Kundenbefragungen holen wir kontinuierlich Feedback ein, sodass wir aggregierte Zufriedenheits-Kennzahlen im jeweiligen Tätigkeitsfeld vorliegen haben. So wird diese Bereichsarbeit und deren Wert für die Strategie-Umsetzung in Form von CX-KPIs sichtbar.

CX wird also zum Alltag, wenn sie so in der Strategie verankert ist, dass sie zum Leitmedium der klassischen Arbeit wird. Es geht also darum, sich täglich zu fragen: Was habe ich zu tun, um dieses Ziel zu erreichen? Natürlich bestehen Ziele wie Kostensenkungen weiterhin, aber wir stellen fest, dass Maßnahmen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit jedes Mal eine Win-win-Situation sind.

Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Stellen wir uns vor, eine Kundin benötigt für eine Schadenmeldung mehrfach Kontakt zu uns, weil wir beispielsweise noch Rückfragen haben oder die Kundin nachfragen muss, wie lange es wohl noch dauert, bis sie eine Erstattung bekommt. Je öfter solche weiteren Kontakte nötig sind, desto geringer natürlich auch die Kundenzufriedenheit. Gleichzeitig erfordern diese weiteren Kontakte natürlich den Einsatz von Personal. Wenn wir also CX glauben und alles tun, dass die Kundin nicht mehrfach anrufen muss und wir alle Infos beim ersten Kontakt erhalten, haben wir Prozesskosten gesenkt, obwohl wir nur Zufriedenheit steigern wollten.

Was würdest du anderen Unternehmen raten, die das Thema auf der Agenda haben?

Eine wichtige Voraussetzung war für uns, dass wir auf den Markt geschaut haben und uns mit der KUBUS-Studie und dem Team von MSR auch von externen Experten haben beraten und begleiten lassen. So kam die Sicht ins Unternehmen auf ein strategisches Vorgehen, welches sich nun in einer Aufbau- und Ablauforganisation niederschlägt. Dahinter steht eine sehr detaillierte Projektplanung über mehrere Jahre. Dieses Vorgehen findet man übrigens auch bei anderen Versicherungs-Unternehmen, die direkt mit CX durchgestartet sind.

Im Unternehmen selbst braucht es auf jeden Fall eine Person, die bereit ist, sich da reinzudenken. Das Feld CX ist so groß, dass man sich über einen längeren Zeitraum intensiv damit beschäftigen muss. Es ist eine klassische, iterative und agile Vorgehensweise notwendig. Am besten startet man mit einem Piloten, aber mit einem ganz klaren strategischen Vorgehen, das so stufenweise erst erprobt und dann ausgerollt wird.

Falsch wäre es, wenn ein Unternehmen sagt, es liegt uns doch schon so viel Kundenfeedback vor – wir sammeln das und werten es aus. Viel besser ist es, sich zu überlegen:

  • An welchen Stellen entsteht Feedback?
  • Welches Feedback ist zur Erreichung der Ziele brauchbar?
  • Wie kann ich Feedback für strategische Entscheidungen nutzen?
  • Was sind die wesentlichen Customer Journeys?
  • Welche Touchpoints sind die wichtigsten?

Die wichtigsten CX ergeben sich wohl im Lebenszyklus der Kund*innen: Irgendwann wird immer ein Vertrag abgeschlossen, beraten oder gekündigt. Die wichtigsten Journeys sollten dann schrittweise gemessen, erforscht und hinterfragt werden. Step by Step werden Zusammenhänge der Kundenzufriedenheit deutlich.

Unterm Strich gibt es im Wesentlichen zwei Gründe, warum wir alle CX machen: nur die vollkommen zufriedenen Kunden schließen auch weitere Produkte bei uns ab und empfehlen uns im Freundes- und Bekanntenkreis weiter. Nur zufrieden sein, reicht heute schon lange nicht mehr aus!

- Christopher Schmitt

Was man meiner Meinung nach auch unbedingt braucht, ist eine Marktstudie, um das in einen gesamtwirtschaftlichen Kontext zu bringen. Außerdem läuft ohne Vorstand gar nichts: Die Relevanz und Notwendigkeit von CX muss im gesamten Unternehmen erkannt werden.

Denn unterm Strich gibt es im Wesentlichen zwei Gründe, warum wir alle CX machen: nur die vollkommen zufriedenen Kunden schließen auch weitere Produkte bei uns ab und empfehlen uns im Freundes- und Bekanntenkreis weiter. Nur zufrieden sein reicht heute schon lange nicht mehr aus!

Christopher Schmitt

Customer Experience Manager bei der INTER Versicherungsgruppe

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