October 15, 2021

Nachhaltiges Investment

Wie und warum es sich für Versicherer lohnt, nachhaltig zu investieren

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Nachhaltigkeit

Der letzte Bericht des Weltklimarates malt ein düsteres Zukunftsbild: Der Klimawandel schreitet schneller voran als erwartet. Wir können die Folgen der Erderwärmung zwar noch eingrenzen, aber ein Zurück gibt es nicht mehr. Gerade für etablierte Branchen wie die Assekuranz bedeuten diese Entwicklungen ein Umdenken, denn die Bedrohung durch den Klimawandel zeigt sich in immer höheren Schadensummen durch starke Unwetter und Naturkatastrophen.  

Zudem legen Kunden zunehmend Wert auf die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen und fordern verstärkt Vermögensanlagen, die sozialökologischen Werten entsprechen. Wer nicht aus altruistischen Gründen nachhaltig investiert, hat spätestens in der Covid-19-Pandemie gesehen, dass nachhaltige Anlageprodukte im Vergleich zu traditionellen, gestärkt aus der letzten Krise hervorgingen. Versicherer, die sich das Thema Nachhaltigkeit bis jetzt noch nicht auf die Fahnen geschrieben haben, schaden sich also letztendlich selbst.  

Dabei genügt es längst nicht mehr, Unternehmen über den Negative-Selection-Ansatz aus Fonds auszuschließen, die beispielsweise in Klimaskandale verwickelt sind oder deren Kerngeschäft aus Kohlekraft besteht. Wenn Unternehmen einen tatsächlichen Impact erzielen wollen, müssen sie die nachhaltigsten Unternehmen überhaupt fördern und mindestens nach dem sogenannten Best-in-Class-Ansatz vorgehen. Das gilt für eigene Investments genauso wie für die ihrer Kunden.

Umsetzungswege von Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage
Abbildung: Umsetzungswege von Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage; Quelle: Niemczyk, M.; Gilbert, A.; Bender, T. (2019): Integration von Nachhaltigkeitsfaktoren in das Kapitalanlagemanagement; in: Absolut report, 06/2019, S. 49


Datenlage zur Nachhaltigkeit von Vermögensanlagen: Komplex oder unvollständig

Der Markt ist groß, die Datenlage unvollständig, uneinheitlich oder gar nicht erst vorhanden – viele Unternehmen betreiben kein ausreichendes öffentliches Reporting. So ist es aktuell schwierig zu bestimmen, wie grün und sozial Unternehmen und Anlagen wirklich sind. Zudem kursieren diverse Standards und Frameworks, mit denen verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit bewertet werden. Diese reichen von reinen CO2-Fußabdrücken über gute Arbeitsbedingungen und Unternehmensführung bis hin zu Diversität, Inklusion und Menschenrechten. Sie finden sich unter Abkürzungen wie SRI, D&I, GRI, GHG-Scopes, SDGs oder PRI und enthalten ganz unterschiedliche Kriterien, Ziele sowie Reportingstandards. Wer Anlagen differenziert bewerten möchte, muss sie kennen und wissen, wie sie aufeinander einzahlen. Unternehmen, die nachhaltig investieren wollen, interessieren sich also für den Impact, den sie mit nachhaltigen Kapitalanlagen erzielen können.

Überbrückungshilfe – Junge Tech-Unternehmen, Fintechs und Insurtechs

Kein Wunder also, dass sich Tech-Unternehmen und Start-ups mit nachhaltigem Investment beschäftigen. Mit neuen Ansätzen und Technologien wollen sie die Wissenslücken der traditionellen Branchen wie die der Finanz- und Versicherungsbranche schließen.

Portfolio- und Unternehmens-Analyse sowie -Bewertungstools

Unter Stichworten wie Big Data und Künstliche Intelligenz sammeln Start-ups automatisiert Daten, strukturieren diese und bauen Analysetools, mit denen sich die Nachhaltigkeit von Fonds und Unternehmen – zum Teil sogar auf der Ebene einzelner Produkte und Dienstleistungen – differenziert bewerten lässt. Dabei werden diverse Internetquellen (Bild und Text), Wetter-, Satelliten- und ähnliche Datenpunkte verwendet. Mit einigen Lösungen lassen sich Branchen-, Länder- und Unternehmens-Benchmarks erstellen und mit anderen Stärken- und Schwächenanalysen durchführen. Viele Anbieter bieten die Möglichkeit, Daten-Sets einzukaufen und diese mit eigenen internen Rating-Tools auszuwerten. So können Versicherer die Tools und Daten nutzen, um neue Anlageprodukte zu designen.  

Für Versicherer bieten einige wenige Anbieter Lösungen für das Design, Underwriting und Management. Dabei bewerten sie regionale Einflüsse des Klimawandels und damit verbundene physische Risiken oder die Geschäftsaktivitäten von Unternehmen und ihren Einfluss auf den Klimawandel. Mit ersteren lassen sich Sachversicherungen wie Gebäude- und Autoversicherungen nachhaltig kalkulieren, mit letzterem können Unternehmen, die aufgrund ihrer geschäftlichen Aktivitäten ein Risiko darstellen, von Policen ausgeschlossen werden.

Bei einem Scouting identifizierte Auswahl von Tech-Unternehmen (vorrangig Start-ups), die innovative Lösungen im Bereich Nachhaltiges Investment entwickeln
Abbildung: Bei einem Scouting identifizierte Auswahl von Tech-Unternehmen (vorrangig Start-ups), die innovative Lösungen im Bereich Nachhaltiges Investment entwickeln (Stand: 1. Quartal 2021)

Effizientere und technologiegestützte Workflows für das Corporate Reporting

Andere Lösungen adressieren das Corporate Reporting und ermöglichen effizientere Workflows oder tendieren sogar in Richtung vollautomatisierte Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten. Sie nutzen Künstliche Intelligenz und Machine Learning, um schon vorhandene Daten in Unternehmen automatisch auszuwerten. Auch sie bedienen sich unterschiedlicher Standards und Frameworks und müssen zum jeweiligen Anwender-Unternehmen passen. Viele bieten ebenfalls Features an, die dabei unterstützen, die Außenwahrnehmung des eigenen Unternehmens zu untersuchen oder die Bedürfnisse der Investoren zu antizipieren. Bei Letzterem durchforsten sie mit Data-Mining-Ansätzen automatisiert das World Wide Web und verschiedene Datenpools, um herauszufinden, was Investoren im Bereich Nachhaltigkeit wichtig ist.

Ein Blick in die Zukunft: Bessere Datenlage im Bereich Nachhaltiges Investment und Corporate Reporting?

Durch die weite Verbreitung solcher Tools könnten Daten in Zukunft verfügbar gemacht werden und zielgerichteter genutzt werden. Damit können Versicherer ihr eigenes Reporting durch die Nutzung der Tools stärken und sogar weiter ausbauen. Dabei bieten Tools teilweise die Ausgabe konkreter Verbesserungsvorschläge, die eine nachhaltige Positionierung stärken.  

Neue Datensets zur Nachhaltigkeit von Geldanlagen, die Daten aus dem firmeneigenen Reporting von Unternehmen sowie unabhängige Daten unterschiedlichster Quellen nutzen, erlauben jetzt schon eine objektivere Bewertung als sie noch vor ein paar Jahren möglich war. Da sie den Fokus immer mehr von Daten hin zum realen Impact von Geldanlagen verschieben, dürften auch hier bald neue differenzierte Anlageprodukte entstehen, die mehr bewegen. Dabei müssen Analysten nicht mehr alle Unterlagen per Hand durchgehen, sondern werden durch automatisierte Bewertungstools unterstützt.  

Schließlich bietet ein Teil der Unternehmen auch Tools zur Nachhaltigkeitsanalyse und -bewertung für Vermögensanlagen sowie Corporate-Reporting-Tools aus einer Hand an. Als Hybride bedienen sie den Nachhaltigkeitsbericht und bestimmen das Anlage-Universum an sich.

[1] SRI (Socially Responsible Investment), D&I (Diversity & Inclusion), GRI (Global Reporting Initiative), GHG-Scopes (Green-House-Gas-Scope), SDG (Sustainable Development Goals), PRI (Principles for Responsible Investment).

Die Übersicht innovativer Tech-Unternehmen, FinTechs und InsurTechs ist im Kontext eines Scoutings für ein etabliertes internationales Versicherungsunternehmen entstanden. Das Scouting wurde im 1. Quartal des Jahres 2021 durchgeführt. Ziel war es, den B2B-Markt im Bereich Nachhaltiges Investment weltweit mit Fokus auf die Europäische Union zu screenen und einen Überblick über innovative Ansätze zu bieten.  

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