November 19, 2020
Wir stellen euch diese Woche eine weitere Innovationsmethode vor, die bei der Entwicklung von Innovationen hilfreich sein kann. Letzte Woche drehte sich alles um Crowdsourcing, also wie die Intelligenz von vielen potenziellen Nutzern genutzt werden kann. In diesem Artikel beschäftigen wir uns zwar wieder mit der Sicht der zukünftigen Kunden und Nutzer, diesmal aber mit einer ganz speziellen Gruppe: den sogenannten Lead Usern.
Lead User sind Nutzer, deren Bedürfnisse dem Massenmarkt vorauseilen, was sich in Unzufriedenheit mit dem bereits existierenden Angebot ausdrückt. Sie suchen nach einem Produkt, das eine Problemlösung oder einen Mehrwert bereithält, welches jedoch auf dem Markt noch nicht angeboten wird. Aus diesem Defizit heraus fangen Lead User häufig an, selber Produkte und damit Innovationen zu entwickeln. Damit ihnen das gelingt, eignen sie sich Know-How an und interagieren häufig mit anderen Usern in Online-Communities, um sich auszutauschen und Hilfe zu bekommen und zu geben. Lead User können also auch als richtige Tüftler bezeichnet werden. Laut Eric von Hippel, Professor an der MIT Sloan School of Management, zeichnen sich Lead User durch zwei Eigenschaften aus: Sie haben ein starkes Bedürfnis für die Innovation, die sie entwickeln und sie sind einem Markttrend voraus. Beispiele für Innovationen, die durch Lead User entwickelt wurden, sind Tipp-Ex, das Mountainbike oder sogar das World Wide Web!
Für Unternehmen kann die Integration von Lead Usern in den Innovationsprozess einen entscheidenden Unterschied machen, da die Chance besteht, Produkte zu entwickeln, die zu späteren Markttrends führen und dadurch Wettbewerbsvorteile generiert werden können. Wie kann das Wissen und Können der Lead User nun aber im Innovationsprozess von Unternehmen integriert werden?
Nach Reichwald und Piller (2006) lässt sich ein vierstufiger Prozess abstecken, der in folgenden Phasen unterteilbar ist:
Während die ersten beiden Phasen noch recht gut zu bewältigen sind, ist vor allem die Identifikation der Lead User im dritten Schritt etwas komplexer. Hier kann beispielsweise mit einer Befragung eines repräsentativen Samples der Grundgesamtheit gearbeitet werden, um aus diesem, Lead User zu generieren. Da hier schon zu Beginn eine starke Eingrenzung durch die kleinere Stichprobe an Befragten stattfindet, sinkt die Wahrscheinlichkeit passende Lead User zu identifizieren. Eine alternative Methode ist das sogenannte Pyramiding. Hier werden soziale Netzwerke schrittweise durchsucht, in dem mit wenigen Personen begonnen wird, die passenden Personen (die also den Eigenschaften der gesuchten Lead User entsprechen) im Netzwerk benennen müssen. Davon ausgehend werden die genannten Personen befragt und die Technik wiederholt sich immer wieder, bis man sich an die passendsten Experten angenähert hat. Im letzten Schritt beginnt dann die Zusammenarbeit mit den identifizierten Lead Usern, in dem in Workshops gemeinsam Ideen gesammelt und erste Prototypen entwickelt werden.
Ein klarer Vorteil der Methode ist, dass anwendungsorientiertes Wissen die Basis für eine Produktentwicklung bildet und damit höhere Erfolgschancen möglich werden. So können Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil durch das frühzeitige Aufspringen auf spätere Markttrends generieren und ein nachhaltiges Kundenverhältnis schaffen. Zu den möglichen Nachteilen zählt, dass die Gefahr besteht, Nischenprodukte zu entwickeln, die zwar für eine kleine Gruppe an Personen eine große Relevanz hat, jedoch nicht massentauglich ist. Hier sollte ein besonderer Fokus auf die Analyse die Trends im Zielmarkt gelegt werden. Auch mögliche rechtliche Probleme sollten vorher geklärt werden, damit die Zusammenarbeit mit den Lead Usern zum Erfolg führt. Um einen Einblick zu bekommen, wie man die Methode in der Praxis umsetzen kann, werft unbedingt ein Blick in unsere Case Study zu dem Thema!
Quellen und weiterführende Informationen:
Reichwald, R., & Piller, F. (2006). Interaktive Wertschöpfung: Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung. Gabler Verlag.