May 11, 2020

Smart Dust – Science Fiction oder die nächste IT-Revolution?

Eine Technik für Kreativität und Ideenfindung

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Den Anstoß zur Entwicklung der drahtlosen Sensornetze gab das Pentagon. 1998 erhielt Kristofer Pister, Professor am Institut für Elektrotechnik und Informatik der Universität Berkeley, den Auftrag, winzige Computer in der Größe von Sandkörnchen zu entwickeln. Hinter dem Projekt stand die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), die Forschungsabteilung des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Mit Hilfe der Kleinst-Rechner wollte das Pentagon einen uralten Traum aller Militärs wahr machen und unbeobachtet feindliche Truppenbewegungen überwachen. Mit tausenden dieser unsichtbaren Spione auf Schlachtfeldern verstreut, erhoffte man sich, den Gegner kontrollieren zu können.

Was ist Smart Dust?

Smart Dust ist eine Zukunftsvision, bei der kleinste Partikel als mikroskopisch-kleine Nanosensoren untereinander kommunizieren und Informationen austauschen. So werden die Mikro-Computer fühlen, hören und sehen – und die Daten anschließend selbst verarbeiten. Ein Smart Dust ist eine Elektronikschaltung in Nanoelektronik in der Größe eines winzig kleinen Staubkörnchens, das verschiedenste Funktionen ausführen kann. Es ist eine Komponente der Mikrosystemtechnik (Micro-Electronic-Mechanical-Systems), die mit verschiedenen Sensoren, beispielsweise aus der Optik und Akustik, bestückt sind und über Kommunikationstechnik ebenso wie über Aktoren verfügen. Viele dieser Winzlinge könnten sich als selbstorganisierende Systeme zu einem Verbund mit Schwarmintelligenz vereinen. In dieser Vision wird Smart Dust zu smarten Objekten, die über das Internet of Things (IoT), auch als Mesh, kommunizieren.

Mu-Chips als Smart Dust von Hitachi
Abbildung: Mu-Chips als Smart Dust von Hitachi

Erste Prototypen am Markt

Winzige RFID-Tags sind bereits verfügbar. Darunter mehrere von Hitachi entwickelte Mu-Chips mit einer Kantenlänge von 0,3 x 0,3 mm. Diese Chips arbeiten bei 2,45 GHz und haben einen kleinen Speicher. Eine weitere Verkleinerung auf etwa ein Zehntel der genannten Kantenlänge und eine Dicke von 5 μm, ebenfalls von Hitachi entwickelt, lässt die Vision des Smart Dusts zur Realität werden. Solche Winzlinge können in alle Objekte implementiert werden. Sie sind überall und zu jederzeit auffindbar. Als Betriebssystem steht mit TinyOS eine Open-Source-Software zur Verfügung, die Komponenten unterstützt, die mit kleinstem Arbeitsspeicher und einem geringen Energieverbrauch auskommen.

Wer sich jetzt fragt, wie man so winzige Systeme überhaupt mit ausreichend Energie versorgen kann, sollte einen kurzen Blick auf sein Smartphone, Tablet oder Laptop werfen. Sie dienen – ganz unbewusst – als Energiequelle. Genauer gesagt, das, was diese Geräte umgibt: Elektrosmog. In unserer modernen Welt ist er ein nahezu unerschöpflicher und kostenloser Energielieferant für Smart Dust und somit eine von mehreren möglichen Energiequellen, neben der Sonne oder Vibrationen.

Potenziale für die Assekuranz

Smart Dust im Gesundheitsbereich

In der Prothetik werden die kleinen Helfer ganz groß, indem sie den Abnutzungsgrad von Prothesen und Implantaten genau analysieren und den optimalen Zeitpunkt angeben, wann das Produkt mit dem Verschleiß beginnt und ausgetauscht werden sollte. Solche winzigen Computer sind aber auch prädestiniert für Wearables. Außerdem überwachen die kleinen Sensoren die Rehabilitationsmaßnahmen, indem der Fortschritt des Heilungsprozesses genau dokumentiert werden kann. Die Sensoren – vorgesetzt sie sind als Medizinprodukt anerkannt – könnten auch aufwändige Untersuchungen ersetzen beziehungsweise verbessern, wenn sie im Körperinneren zum Beispiel auf die Suche nach Tumoren oder inneren Blutungen gehen. Eine frühzeitige Diagnose rettet oftmals Menschenleben.

Smart Dust in der Schadenerkennung und -regulierung

Die winzigen Partikel können problemlos an Bauteile angebracht, eingebracht oder auch aufgesprüht werden und auch an den kleinsten und verwinkeltsten Stellen Schäden oder Abnutzung erkennen. Vor allem im Bereich der Haftpflicht- und Gebäudeversicherung bestehen hier große Potenziale, da so ein Ausfall rechtzeitig vorausgesagt und idealerweise verhindert werden kann, wie beispielsweise Wasser- oder Abwasserleitungen der Statik relevanten Stellen am Gebäude. Auch im Kfz-Bereich steht Smart Dust als Helfer bereit, indem Unfallvorgänge im Detail nachvollzogen werden oder auch Bauteile besser und effektiver gewartet werden können. Im Bereich Diebstahlschutz sind die Mikro-Computer perfekt geeignet, wenn sie beispielsweise am Fahrrad oder Fahrzeug angebracht werden. So ist problemlos ersichtlich, wo sich das gestohlene Fahrzeug befindet, in welchem Zustand es ist und selbst bei Veränderung der FIN etc., wer der Eigentümer ist. Gleiches kann im Bereich der Transportversicherung zu neuen Services führen. Aber auch der Schutz vor Naturkatastrophen ist eine Vision der Entwickler von Smart Dust. Großflächig aufgebrachte Teilchen können Gefahren durch Schnee- oder Schlammlawinen voraussagen oder sogar Waldbrände im Keim verhindern, indem sie die Gefahr rechtzeitig melden.

Smart Dust in der Fraud Detection

Viele Marken von globaler Bedeutung haben ein gemeinsames Problem: Plagiate. Sie sind nicht nur ärgerlich, sie können auch rufschädigend und somit eine echte Gefahr für die betroffenen Unternehmen werden. Die Smart Dust Teilchen verfügen über einen kleinen Speicher und könnten in alle Markenprodukte integriert werden. Mit einem entsprechenden Lesegerät lässt sich dann die Echtheit eines Produktes sehr leicht feststellen. So könnte man auch Produktions-, aber vor allem auch Handelswege nachvollziehen sowie verschwundene Ware schnell und einfach wieder auffinden.

Natürlich sind die beschriebenen Szenarien aktuell noch Zukunftsmusik. Aber in zehn bis 20 Jahren wird Smart Dust der nächste Schritt im Internet of Things sein. Besonders die Daten, die die kleinsten Teilchen sammeln, dienen sehr vielen Interessen. Daher sollten Versicherungsunternehmen frühzeitig Use Cases identifizieren, wie sie von Smart Dust profitieren und wie sie eigene Schnittstellen schaffen können, um die Daten für eigene Anwendungsfälle nutzbar zu machen.

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