October 15, 2019
Eines ist unbestritten: Das autonome Fahren wird unsere komplette Mobilitätslandschaft verändern. Es geht in der Konsequenz um nicht weniger als die Auflösung der Grenzen zwischen Individual- und öffentlichem Verkehr und die Transformation des Autofahrers in ein vollvernetztes Verkehrsgeschehen. Bis die Fahrzeuge jedoch voll autonom fahren werden, befinden wir uns in einer Übergangszeit, die bereits mit diversen Assistenzsystemen begonnen hat.
Das Geschäftsmodell der Kfz-Versicherung steht vor massiven Veränderungen. Derzeit sind etwa 90 Prozent aller Verkehrsunfälle durch menschliches Fehlverhalten bestimmt, nur 10 Prozent durch technische Fehler. Je stärker der Fahrende aber am Steuer von Assistenzsystemen unterstützt wird, desto geringer wird sein Einfluss auf ein mögliches Unfallgeschehen. Das Risiko verlagert sich vom menschlichen Fehler seitens des Fahrers zum menschlichen Fehler der Entwickler sowie maschinellem Versagen. Die Frage der Produkthaftung wird von zentraler Bedeutung sein.
Die Landschaft der Sharing-Dienste wächst und folgendes Zukunftsszenario ist denkbar: Der Kfz-Besitzer stellt anderen Nutzern während der Ruhezeit sein Auto via App einer Sharing-Flotte zur Verfügung. Demzufolge wird die Menge an Privatfahrzeugen abnehmen sowie parallel dazu auch die Menge an Haftpflichtversicherungen. Ebenfalls passt sich die Abschlussstrecke den neuen Gegebenheiten an. Hier bieten sich zwei Varianten an: Die Nutzer des Sharing-Dienstes werden pro Kfz-Nutzung (pay per use) direkt bei diesem bezahlen. Damit entfällt der Weg über Versicherungsmakler. Die Assekuranz muss sich daher frühzeitig um Kooperationen mit Sharing-Diensten bemühen.
Neben den zuvor genannten Punkten gilt es zu bedenken, wie autonome Fahrzeuge erst möglich werden, um den Fahrenden am Steuer zu „ersetzen“. Hierbei sind unterschiedliche Kerntechnologien notwendig: Sensoren für die Umwelterfassung, eine Intelligenz um diese zu analysieren und zu bewerten (Künstliche Intelligenz) und eine Vernetzung, um mit anderen interagieren zu können (x2x). Neben der Absicherung der teuren Sensorbestandteile oder deren Funktion (Zerstörung oder Einschränkung der Funktionsfähigkeit von Kameras, Lidar, etc.) können die digitalen Bestandteile ein Einfallstor für Hackerangriffe sein. Durch die Vernetzung der Fahrzeuge ist es möglich, dass ganze Fahrzeugflotten betroffen sind, wenn sie untereinander vernetzt sind.
Die Nutzung der autonomen Fahrzeuge wird sich zunehmend in unsere Lebenswelten integrieren, egal ob im eigenen Besitz oder als Flottenmodel. Das heißt, wir leben und arbeiten in den Autos und wollen auch dort digitale Services nutzen. Apps werden in den OEM eigenen App-Stores angeboten. Das eröffnet auch für die Assekuranz die Chance für neue Geschäftsmodelle, indem sie sich als Entwickler von im App-Store bereitgestellten digitalen Services etabliert. Mit diesen neuen Serviceangeboten macht sich die Versicherungsbranche bei Nutzenden der neuen Fahrzeugevolutionsstufe attraktiv. Gleichzeitig können sie die etwaig gewonnenen Daten nutzen, um mehr über die Nutzer und potenzielle Kunden zu erfahren, in Mehrwerte umzuwandeln sowie diese Daten für ihr Kerngeschäft Versicherung zu verwenden. Von der aufgezeigten Option profitiert die Assekuranz also doppelt: Als Anbieter digitaler Services und durch die Gewinnung und Verwendung von Nutzerdaten.
Der Megatrend Mobilität und das autonome Fahren haben auch Auswirkungen auf die Versicherungswelt. Es ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte, um neue Produkte zu entwickeln aber auch um über komplett neue Geschäftsmodelle nachzudenken. Die Versicherungsunternehmen müssen nur jetzt handeln und die Weichen stellen, um den Anschluss nicht zu verpassen.