October 10, 2019
Nahezu täglich begegnen uns in den Medien Nachrichten über die großen amerikanischen Tech-Unternehmen, genannt GAFA (Akronym für Google, Apple, Facebook und Amazon). Sie haben eine digitale DNA, ticken im Sekundentakt des Klicks, wissen um die Bedürfnisse der Kunden und revolutionieren mit Leichtigkeit Nutzererlebnisse. Die dabei gewonnenen Kundendaten ermöglichen eine satte Monetarisierung. Die Erfolgsfaktoren dahinter lassen sich universell anwenden. So gut wie jede Industrie ist damit angreifbar. Die Versicherungsbranche ist damit nicht ohne Grund nervös. Google, Facebook, Amazon und Apple kennen ihre Kunden mit deren Gewohnheiten oft besser als sie selbst und können sehr schnell und treffsicher vorhersagen, gegen welche Risiken sich jemand absichern möchte. Den Rollenspielen der großen Internetkonzerne ist allerdings gemein, dass sie nicht den Fehler machen, traditionelle Geschäftsmodelle einfach nachzubilden – das widerspricht ihrer Philosophie.
Versicherer haben zwar umfangreiche Kundenbestände, wissen aber zu wenig über die Personen dahinter. Amazon-Nutzern informieren das Unternehmen hingegen ständig und bereitwillig durch ihre Suchanfragen, Kaufentscheidungen oder mit Hilfe von Alexa über ihre Bedürfnisse und Lebensumstände. So weiß Amazon genau, was Kunden brauchen.
Erste Produkte, beispielsweise bei Garantieverlängerungen und Smartphone-Versicherungen, sind über Amazon Protect erhältlich. Amazon selbst wird aber sicher keine klassischen Versicherungen entwickeln, sondern Kooperationen mit Versicherern eingehen. Das erscheint kurzfristig für den Versicherer interessant, aber mittelfristig ist er austauschbar, da die Kundenschnittstelle von Amazon gemanagt wird. Generell sind Versicherungen für Amazon nur Mittel zum Zweck. Im Zentrum stehen für den Internetriesen nicht Produktkategorien, sondern Lebenswelten und Plattformkategorien, denn Amazon denkt aus der Sicht der Kunden.
Suchmaschinenspezialist Google steuert eine andere Einstiegsnische in den Versicherungsmarkt an und setzt auf Künstliche Intelligenz (KI). Beispielsweise beurteilen intelligente Systeme Schadenregulierungen. Das maschinelle Lernen sorgt damit vermutlich schon sehr bald dafür, dass allenfalls noch komplexere Schadensszenarien von menschlichen Sachbearbeitenden bearbeitet werden müssen. Durch eine perfekt an die Systemlandschaft des Versicherungsunternehmens angepasste Kombination aus KI und Robotic Process Automation (RPA) kann damit ein Teil der Innendienstkräfte der Versicherer preiswerter, redundanter, skalierbarer und vermutlich auch zuverlässiger ersetzt werden. Gleichzeitig sammelt der Internetriese neue Daten und erfährt auf diese Weise wie viele Schäden in welcher Höhe bei welchen Deckungen auftreten. Das verschafft Google damit das notwendige Wissen, um Risiken insgesamt bewerten und tarifieren zu können – die Basis, um neuartige Sicherungskonzepte zu entwickeln.
Eine geringere Gefahr für die Geschäftsmodelle der Versicherer geht von Facebook und Apple aus. Ihre Ambitionen im Versicherungsgeschäft sind weniger konkret, von den bereits angebotenen Geräteversicherungen abgesehen.
Facebook gilt als Top-Datenadresse, wenn es um Kundenanalysen und Prognosen sowie personalisiertes Marketing geht. Apple wiederum ist zusammen mit Google wichtigster Ort für mobile Versicherungsanwendungen. Zudem bietet das Unternehmen mit Siri eine ausgereifte Version für sprachgesteuerte Anwendungen. Somit werden sich die Kundenerwartungen in puncto Service weiter verschieben.
Kontinuierlich haben die GAFA-Unternehmen in den vergangenen Jahren eine Innovation nach der anderen hervorgebracht. Einkauf, Recherche, Kommunikation, Medienkonsum, Navigation und Spiele finden heute vollständig anders statt als noch vor zehn oder 20 Jahren. Und für die meisten Kunden besser, günstiger und komfortabler als je zuvor. Kunden vertrauen der Innovationskraft von Unternehmen wie Apple. Darauf bauen die GAFA.
Um den Datenschatz weiter anzuhäufen, besetzen die vier immer mehr Schnittstellen im täglichen Leben des Menschen, vom Thema Unterhaltung über die Gesundheit bis hin zur Bezahlung. Im aufziehenden Zeitalter der Künstlichen Intelligenz wird der Wert dieser Daten sogar noch zunehmen. Dabei wird geklotzt, nicht gekleckert: Amazon (16,1 Milliarden Dollar) und Google-Mutter Alphabet (13,9 Milliarden) sind die beiden Firmen mit den weltweit höchsten Forschungsausgaben, selbst Facebook (5,9 Milliarden) investiert mehr in neue Aktivitäten als Siemens oder IBM. So zittert die Automobilindustrie vor den selbstfahrenden Autos von Google und Co. Volkswagen, Toyota und andere wissen: Bei der Mobilität der Zukunft geht es nicht um PS-Stärke, sondern um Datensätze und deren Vernetzung. Niemand kennt sich da besser aus als Google.
Diejenigen, die Chancen in diesem neuen Ökosystem sehen, müssen ihre Rolle darin definieren und sich fragen: Bin ich Orchestrator oder Zulieferer? Außerdem könnten sich unterschiedliche Partner zusammenschließen, um ihre digitalen Angebote zu vernetzen und für Kunden passgenau zusammenzustellen. Das ist Chance und Risiko zugleich für die Versicherungsbranche.
Mark Zuckerberg hat einmal gesagt, dass die einzige Garantie, in dieser sich ständig ändernden Umgebung zu scheitern, sei, kein Risiko einzugehen. Das heißt im Umkehrschluss: In einer digitalen Welt ändert sich alles sehr schnell. Auch die GAFAs wissen nicht, in welche Richtung es geht.