October 22, 2020

Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der medizinischen Risikoprüfung

Im Interview mit Lukas Naab von MINDS Medical

Digitalisierung

Künstliche Intelligenz

Prozessautomatisierung

Innovationswerkstatt

Start-up

Lukas, welchen Ansatz verfolgt ihr mit eurem Geschäftsmodell?

Unser Ziel ist es, Sachbearbeitern in Versicherungen, aber auch in Krankenhäusern, dabei zu helfen komplexe medizinische Zusammenhänge auf das Wesentliche zu komprimieren und ihnen damit mehr Zeit bei ihrer Arbeit zu einzuräumen. Das Lesen medizinischer Dokumente ist sehr zeitintensiv und bedarf hoher Konzentration/Aufmerksamkeit. Unabhängig davon, ob der jeweilige Vorgang letztlich zu einem monetarisierbaren Ergebnis führt, muss die Zeit zum Bearbeiten der Dokumente investiert werden. Man weiß also erst nach dem Lesen der Unterlagen, ob sich die Arbeit überhaupt gelohnt hat.
Wir verstehen unsere Aufgabe darin, die Sachbearbeiter bei dem Einsatz ihrer kostbaren Zeit möglichst effektiv zu leiten und sie vor allem dort einzusetzen, wo es sich lohnt. Die Zeit, die wir bei diesem Arbeitsschritt einsparen, lässt sich in geringen Prozesskosten bzw. höherem Output messen und quantifizieren.
Unsere Jahreslizenzen orientieren sich an diesen KPIs und ermöglichen unseren Kunden und uns eine Win-Win Situation. Um das größte Potential für den Einsatz unserer Technologie zu entfalten, ist es immer wichtig die gelebten Prozesse unsere Kunden zu analysieren und gemeinsam ein Zielbild zu entwickeln. Wir stellen unseren Kunden zu Anfang immer dieselben Fragen. Wie sieht euer Prozess heute aus? Wo ist dieser Prozess heute schon sehr gut? Wo habt ihr Schmerzen? Dann geht es darum die Kompetenzen der Mitarbeiter zu stärken und die Schwächen mit Hilfe von automatisierten Prozessen auszugleichen.

Inwiefern ist dieser Ansatz bzw. diese Lösung für Unternehmen und insbesondere Versicherungen relevant?

Um z.B. Entlassbriefe, OP-Berichte oder Gutachten zu verstehen und zu strukturieren, nutzen wir Natural Language Processing und Machine Learning Methoden, aber auch andere Methoden des Data Retrievals. Mit Hilfe dieser Technologien können wir sowohl aus dem Kontext der medizinischen Fachsprache, als auch im Fließtext vorstrukturierte Diagnosen und durchgeführte Behandlungen erkennen und einordnen.
Für viele Versicherungsprodukte aus dem Leben- bzw. dem PKV-Bereich müssen genau diese Informationen im Einzelfall geprüft werden. Das kann zum Beispiel eine Risikovoranfrage für eine Berufsunfähigkeitsversicherung sein oder die klassische medizinische Risikoprüfung.
Mit Hilfe unserer Technologie können im ersten Schritt Knock-Out Diagnosen automatisch erkannt und für die Risikoprüfer sichtbar gemacht werden. Diese Fälle können direkt abgelehnt werden und die Abteilung verliert keine Zeit bei der Prüfung unrentabler Anfragen. Durch die so gewonnene Zeit ist es möglich erfolgversprechende Anfragen schneller zu beantworten.
Da die Anfrage häufig an viele Versicherungen gleichzeitig gesendet wird, erhöht eine schnelle Reaktionszeit die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde sich für die Versicherung mit der schnellsten Rückmeldung entscheidet.

Der Prozess der medizinischen Risikoprüfung mit Hilfe von KI bei MINDS Medical
Abbildung: Der Prozess der medizinischen Risikoprüfung mit Hilfe von KI bei MINDS Medical

Wenn wir den Blick in die Zukunft werfen: welche weiteren Möglichkeiten gibt es durch KI, Machine Learning und Smart Data?

Machine Learning Methoden sind prinzipiell datenbasierte Werkzeuge. Je mehr Trainingsdaten einem KI-Tool zur Verfügung stehen, desto höher ist die Qualität und das Spektrum an Mustern, dass erkannt werden kann. Gerade die Arbeit mit Echtwelt-Daten ist entscheidend für gute Ergebnisse.  
Die große Herausforderung im medizinischen Umfeld ist die Datenknappheit, da wir besondere Voraussetzungen an den Datenschutz haben. Aus diesem Grund arbeiten wir daran Methoden zu entwickeln, die es ermöglichen unstrukturierte Echtwelt-Daten automatisch zu anonymisieren und die KI so zu trainieren, dass die Modelle ohne Datenschutzeinschränkung von Kunde zu Kunde transferiert werden können.
Das ermöglicht einen wesentlich breiteren Einsatz der Technologie für verschiedene Versicherungsprodukte bis hin zu der sehr komplexen (Teil-)Automatisierung im Bereich der Leistungsprüfung von z.B. Berufsunfähigkeitsversicherungen und Lebensversicherungen. Perspektivisch werden so automatisierte Antragsstecken umsetzbar, die neue Vertriebsmöglichkeiten und Skalierung ermöglichen. Entscheidend dafür ist allerdings ein hohes Vertrauen in die Ergebnisse, so dass im Zweifel immer die Fachabteilung mit hinzugezogen werden kann.

Ziel ist es, den Sachbearbeitern ein Assistenzsystem an die Seite zu stellen, dass die Arbeit noch schneller, datenbasierter und damit transparenter macht. Gleichzeitig aber im Jahresendgeschäft den Workload puffert oder unterstützt, wenn Stellen nicht besetzt sind oder Kollegen krank werden.

Vielen Dank für das Interview!

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